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Verfahren der 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Braunschweig gegen Prof. Dr. Winterkorn – Aktenzeichen 16 KLs 411 Js 23888/16 (75/19)

Hier: Gesonderte Pressevorschau zum Prozessauftakt am 03.09.2024

Am 03.09.2024 beginnt vor der 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Braunschweig das Strafverfahren gegen Prof. Dr. Winterkorn. Gegenstand der Verhandlung sind Vorwürfe aus drei unterschiedlichen Anklagen, die alle im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Verwendung einer Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware in Fahrzeugen des VW-Konzerns stehen.

Gegenstand dieser gesonderten Pressevorschau sind die Anklagevorwürfe aus drei Anklagen, die mittlerweile sämtlich zu einem Verfahren verbunden worden sind und gemeinsam verhandelt werden.

Im Rahmen der Hauptverhandlung wird das Gericht zu klären haben, ob diese Vorwürfe zutreffen oder nicht. Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Beginn:

Dienstag, 03.09.2024, 11:00 Uhr, 16 KLs 411 Js 23888/16 (75/19), Landgericht Braunschweig, Saal 141

Für die weiteren Fortsetzungstermine wird auf die Terminübersicht aus der Pressemitteilung vom 30.05.2024 hingewiesen.

Tatvorwurf: gewerbsmäßiger Betrug, uneidliche Falschaussage, Marktmanipulation

Im Einzelnen handelt es sich zunächst um die Anklagevorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 11.04.2019, die mit Beschluss der 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – vom 08.09.2020 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde (vgl. unten Ausführungen zu Ziff. 1).

Daneben umfasst das Verfahren auch die Anklagevorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 15.04.2021, welche die 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer - mit Beschluss vom 02.09.2021 ebenfalls zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet hat (vgl. unten Ausführungen zu Ziff. 2).

Zuletzt betrifft das Verfahren auch die Anklagevorwürfe aus der Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 16.09.2019, die mit Beschluss der 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – vom 24.09.2020 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde (vgl. unten Ausführungen zu Ziff. 3).

Gegenstand des Verfahrens sind die folgenden Vorwürfe:

1) Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 11.04.2019

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 11.04.2019 betrifft u.a. den Vorwurf des Betrugs im sog. NOx-Verfahren. Wegen des Inhalts der Anklagevorwürfe wird auf die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 15.04.2019 Bezug genommen (abrufbar unter https://staatsanwaltschaft-braunschweig.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/).

In ihrem Eröffnungsbeschluss vom 08.09.2024 hat die damals zuständige 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – hinsichtlich des Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn einen hinreichenden Tatverdacht - d.h. eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit – wegen gewerbsmäßigen Betrugs bejaht (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig vom 09.09.2020, abrufbar unter Presseinformationen | Landgericht Braunschweig (niedersachsen.de).

Die 6. Strafkammer sah zudem eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer bandenmäßigen Begehung der Tat durch die Angeklagten und hat ihrer Eröffnungsentscheidung daher jeweils die Verwirklichung des Verbrechens des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 263 Absatz 5 Strafgesetzbuch) zugrunde gelegt.

Dem hinreichenden Tatverdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs liegt der Vorwurf zugrunde, dass Käufer bestimmter Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern über deren Beschaffenheit, insbesondere die Verwendung einer sog. Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware getäuscht worden sei, durch die eine Einhaltung der maßgeblichen Stickoxidemissionen lediglich auf dem Teststand gewährleistet gewesen sei.

Die Käufer hätten hierdurch jeweils einen Vermögensschaden erlitten. Der Vorwurf des Betrugs betrifft insgesamt etwa 9 Millionen Fahrzeuge, die in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft worden sein sollen. Es steht ein Vermögensschaden der Käufer in Höhe von insgesamt mehreren 100 Millionen € im Raum. Herrn Prof. Dr. Winterkorn wird dabei aber keine Beteiligung an der Tat für den gesamten angeklagten Tatzeitraum, der sich laut Anklage von 2006 bis 2015 erstrecken soll, zur Last gelegt, sodass sich der Tatverdacht auf entsprechend geringere Fahrzeuge und Schadenssummen bezieht.

Zum Hintergrund:

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 11.04.2019 richtete sich ursprünglich gegen insgesamt 5 – teilweise ehemalige – Mitarbeiter der Volkswagen AG, darunter den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Winterkorn. Gegen alle 5 fünf Angeklagte sollte ab dem 16.09.2021 eine gemeinsame Hauptverhandlung durchgeführt werden.

Das gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn gerichtete Verfahren wurde vor Beginn der Hauptverhandlung mit Beschluss der Kammer vom 09.09.2021 aufgrund der gesundheitlichen Situation von Prof. Dr. Winterkorn abgetrennt (vgl. Pressemitteilung vom 09.09.2021).

Gegen die anderen vier Angeklagten findet seit dem 16.09.2021 vor dem Landgericht Braunschweig die Hauptverhandlung statt, derzeit wird weiterhin die Beweisaufnahme durchgeführt. Termine sind dort noch bis Januar 2025 anberaumt.

Das nun ab dem 03.09.2024 beginnende Verfahren ist von der seit 16.09.2021 laufenden Verhandlung insofern unabhängig, als dass die beiden Kammern mit unterschiedlichen Richtern besetzt sind und die nun zuständige Kammer ihre Entscheidung am Ende der Verhandlung ausschließlich auf Grundlage der ab dem 03.09.2024 durchgeführten Hauptverhandlung treffen und alle zur Entscheidungsfindung erforderlichen Beweise selbst erheben wird.

2) Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 15.04.2021

Die 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – hat zudem am 02.09.2021 die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn vom 15.04.2021 wegen falscher uneidlicher Aussage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig vom 09.09.2020, abrufbar unter Presseinformationen | Landgericht Braunschweig (niedersachsen.de). Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft dem Angeklagten vor, vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages am 19.01.2017 uneidlich falsch ausgesagt zu haben, dass er erst im September 2015 davon Kenntnis erlangt habe, dass in Dieselfahrzeugen der Marke des Volkswagen Konzerns Abschalteinrichtungen verbaut worden seien. Tatsächlich sei der Angeklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr 2015 darüber informiert worden, dass die Motorsteuerungssoftware bestimmter im nordamerikanischen Markt vertriebener Dieselfahrzeuge mit einer Funktion zur Prüfstanderkennung ausgestattet gewesen sei, die dazu gedient habe, die Abgaswerte im Testbetrieb zu manipulieren.

Zum Hintergrund:

Der Vorwurf der uneidlichen Falschaussage wurde bereits im September 2021 durch Beschluss der 6. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Vorwurf des bandenmäßigen Betrugs verbunden.

3) Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 16.09.2019

Mit Beschluss der 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – vom 24.09.2020 wurde auch die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 16.09.2019 gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig vom 24.09.2020, abrufbar unter http://www.lg-braunschweig.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/).

Der Angeklagte Prof. Dr. Martin Winterkorn soll trotz Kenntnis von dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Diesel-Motoren des Typs EA 189 in etwa 500.000 Fahrzeugen auf dem US-amerikanischen Markt und des sich seit Frühjahr 2015 abzeichnenden erheblichen finanziellen Risikos durch Schadensersatzforderungen und Strafzahlungen in den USA den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig informiert haben. Tatsächlich wurde der Sachverhalt um die Softwaremanipulation in Diesel-Fahrzeugen erst durch die am 18.09.2015 von den amerikanischen Behörden veröffentlichte „Notice of Violation“ bekannt. Die Ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG erfolgte am 22.09.2015. Der Angeklagte soll damit seiner Verpflichtung zur „Ad-hoc-Mitteilung“ nach dem Wertpapierhandelsgesetz nicht rechtzeitig nachgekommen sein. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sind Vorstände börsennotierter Unternehmen verpflichtet, kursrelevante Ereignisse unverzüglich nach Bekanntwerden im Rahmen einer sog. „Ad-hoc-Mitteilung“ öffentlich bekannt zu machen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 24.09.2019 (abrufbar unter https://staatsanwaltschaft-braunschweig.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/) und des Landgerichts Braunschweig vom 25.09.2019 (abrufbar unter http://www.lg-braunschweig.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/) anlässlich der Anklageerhebung Bezug genommen.

Zum Hintergrund:

Die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation richtete sich ursprünglich gegen drei Angeklagte.

Das wegen identischer Vorwürfe eingeleitete Strafverfahren gegen die vormals Mitangeschuldigten, den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch und den – mittlerweile ehemaligen – Vorstandsvorsitzenden Dr. Herbert Diess der Volkswagen AG, war im Mai 2020 gegen Zahlung einer Geldauflage an die Staatskasse bereits eingestellt worden (§ 153a StPO).

Auch das Verfahren gegen Prof. Dr. Winterkorn wurde mit Beschluss der 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – vom 14.01.2021 sodann auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig vom 15.01.2021, abrufbar unter http://www.lg-braunschweig.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/). Seinerzeit ging die 16. Strafkammer davon aus, dass die Straferwartung im sogenannten NOx-Verfahren (vgl. oben Anklagevorwürfe zu 1)) deutlich höher als in dem Verfahren wegen Marktmanipulation nach WpHG ausfallen dürfte und die Verurteilung wegen der Marktmanipulation nicht zu einer wesentlichen Erhöhung der Gesamtstrafe führen werde.

Mit Beschluss vom 27.12.2023 hat die 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – das Verfahren wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn aber wiederaufgenommen (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig vom 28.12.2023, abrufbar unter http://www.lg-braunschweig.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/). Mit der Wiederaufnahme hatte die 16. Strafkammer einem Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig entsprochen, welcher auf den Umstand zurückging, dass im sogenannten NOx-Verfahren aufgrund des gesundheitlichen Zustandes des Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn bisher gegen diesen nicht verhandelt werden konnte. Begründet hat die Kammer die Entscheidung zudem damit, dass sich eine etwaige Verurteilung wegen Verstoßes gegen das WpHG neben einer möglicherweise zu erwartenden Strafe im NOx-Verfahren doch auswirken könnte, jedenfalls aber der Vorwurf der Marktmanipulation zu verjähren drohe.

Mit Beschluss vom 13.03.2024 hat die 16. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – das Verfahren wegen des Verdachts des Betruges (Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 11.04.2019) und wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage (Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 15.04.2021) mit dem Verfahren wegen des Verdachts der Marktmanipulation (Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 16.09.2019) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig vom 15.03.2024, abrufbar unter http://www.lg-braunschweig.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/).

Sodann wurden Termine zur gemeinsamen Verhandlung aller oben beschriebener Anklagevorwürfe bestimmt.

Kontakt:

Richter am Landgericht

Benedikt Eicke

Pressesprecher

Landgericht Braunschweig

Münzstraße 17

38100 Braunschweig

Tel.: 0531 488-2208 bzw. 0175/4933695

Fax: 0531 488-2665

E-Mail: lgbs-pressestelle@justiz.niedersachsen.de

Richterin am Landgericht

Lisa Rust

Pressesprecherin

Landgericht Braunschweig
Münzstraße 17
38100 Braunschweig

Tel.: (0531) 488-2284 bzw. 0175/5047289

Fax: (0531) 488-2665

E-Mail: lgbs-pressestelle@justiz.niedersachsen.de



Artikel-Informationen

erstellt am:
27.08.2024

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